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Die Nacht der schwarzen Bilder

Die totale Mondfinsternis am 21. Februar 2008 in Dreieich-Götzenhain

Erlebnisbericht


Eclipse Live 2008 – unter diesem Titel hatten Harald Petrich und ich nach der erfolgreichen Liveübertragung der totalen Mondfinsternis in der Nacht vom 03. auf den 04. März 2007, ein Projekt für das Jahr 2008 gestartet, mit dem Ziel über unser Internet-Portal AstroNation.de die totale Mondfinsternis in der Nacht vom 20. auf den 21. Februar 2008 und die totale Sonnenfinsternis am 01. August 2008 einem breiten Publikum im Internet LIVE zu präsentieren, bzw. bei schlechtem Wetter am eigenen Beobachtungsort durch AstroCams an anderen Orten selbst an dem Himmelsschauspiel teilnehmen zu können.

Dafür hatten wir bereits 2007 mit Eclipse City und Eclipse-Reisen.de zwei starke Partner gewonnen. Mit ihnen zusammen wollen wir im August in die Wüste Gobi reisen, um von dort die Sonnenfinsternis zu übertragen, mit ihnen aber bereits Ende Februar gemeinsam die totale Mondfinsternis präsentieren.

Im zu Ende gegangenen Jahr 2007 und im neuen Jahr 2008 wurde AstroNation weiter ausgebaut und unsere Bekanntheit weiter gesteigert. Eine gemeinsame Presseerklärung, diverse Mailingaktionen, Verlinkungen und Postings, nicht zuletzt Gespräche mit TV-Sendern brachten uns in der Nacht vom 20. auf den 21. das gewünschte Publikum.

Schon während des Tages, als bereits die Dreieich WetterCam auf AstroNation einen meist wolkenverhangenen Himmel zeigte, gab es ein Vielfaches an Zuschauern als sonst. Doch so richtig ging es erst am Abend los, nachdem wir auf den Internetseiten von ZDF und hr verlinkt waren und der hr uns in seiner Sendung „alle Wetter“ vorgestellt hatte. Laufend kamen neue Benutzerregistrierungen rein, das Interesse stieg von Stunde zu Stunde. Unsere Foren waren so aktiv wie bisher nicht gekannt. Kurzfristig gaben wir noch neuen Benutzern Hilfestellung, um selbst LIVE zu senden. So hatten wir nicht nur 5 sondern schließlich 9 registrierte Cam-Standorte, davon zwei im Ausland. Auch Mike Simmons aus Kalifornien, mit dem wir bereits vor einigen Wochen eine Liveübertragung der Mondfinsternis aus den USA besprochen hatten, gab uns in der späten Nacht die Nachricht, dass er sich nun zum Beobachtungsort in den Bergen bei Los Angeles aufgemacht hatte (leider kam von dort wegen schlechten Wetters keine Übertragung zustande).

Nach etwa 2 Wochen anhaltend guten Wetters über Mitteleuropa war ausgerechnet ab dem 20. Februar mit atlantischen Tiefausläufern mit Wolken und Regen zu rechnen. Die Wetterprognosen waren nicht gut für die Nacht der totalen Mondfinsternis. Gebangt gingen dann ab dem Abend die Blicke immer öfter auf die neuesten Satellitenbilder bei astrowetter.com und die Podcasts von Jürgen Vollmer bei wetterradio.de. Per Telefon war ich mit Harald Petrich, Stefan Krause und Dirk Ewers in Kontakt, denn ein Standortwechsel war permanent im Gespräch. Doch wohin, überall blieb es unsicher. Richtung Bonn-Aachen den Wolkenlücken entgegen, die sich in der ersten Nachthälfte über Belgien und dem Ärmelkanal auftaten, oder warten, bis sie ggf. in Richtung Rhein-Main-Gebiet, oder doch eher Richtung Kassel zogen? Vielleicht doch nach Süden in den Schwarzwald, dort könnten Wolkenlücken aus der Gegend von Paris landen. Dirk Ewers beschloss schließlich in Nordhessen zu bleiben, dort sollten die Chancen nach den letzten Wetterprognosen besser als in Südhessen sein. Und Stefan Krause hatte bereits in der ersten Nachthälfte klaren Blick auf den Mond. Doch wie lange würde es bei ihm halten? Bei mir im Rhein Main Gebiet war es gegen Mitternacht alles dicht, als bei Dirk Ewers der Mond schon zu sehen war. Aber es war bereits heller. Ich tendierte mehr und mehr zu Hause zu bleiben. Jürgen Vollmer gab mir erneut schlechte Aussichten durch, jedoch eine kleine Chance doch mal was vom Mond zu sehen. Gegen 1 Uhr tendierte ich im Gespräch mit Stefan Krause immer mehr dazu, zu Hause zu bleiben (von einem anderen Ort müsste ich ja auch schließlich eine Rückfahrt am frühen Morgen mit einplanen), und da lachte während des Gesprächs plötzlich der knallvolle Mond durch mein Dachfenster. Die Entscheidung war schnell getroffen. Zu Hause bleiben und sofort alles bereit machen.

Vollmond

01:33 MEZ - Vollmond 2 Minuten vor dem Eintritt in den Halbschatten

aufgenommen in Dreieich-Götzenhain mit einer Jenoptik JD5.0z3 Digitalkamera durch einen SkyWatcher Refraktor (D=70mm, f=700mm) mit 30mm Okular.

Kurz nach 1 Uhr war ich mit dem Mond in 800x600 Pixel Auflösung online LIVE auf AstroNation. Hierzu hatte ich eine Philips SPC1300NC an mein neuen Scopos APO ED Refraktor (66/400) angeschlossen. Mit der Digitalkamera in Okularprojektion hinter dem SkyWatcher (70/700) hatte ich noch kurz vor Beginn der Halbschattenphase das erste Bild des Vollmonds gemacht. Gegen 2 Uhr wird es dunstiger, Jürgen Vollmer warnt mich vor Nebel, aber die erste Halbschattenphase ist sehr gut zu erkennen, im SkyWatcher 70/700 Refraktor und auch auf der Internetübertragung. Die Userzahlen steigen trotz nächtlicher Stunde an, bald tummeln sich wieder mehrere Hundert User auf den verschiedenden Cams. Wegen meiner eigenen Beobachtung kann ich gar nicht alles dort mir ansehen. In eine Cam aus Portugal sehe ich hinein, aber leider hat der Kollege dort kein Teleskop, der Mond bleibt ein kleiner Fleck auf dem Bildschirm.

Mond im Halbschatten

02:08 MEZ - Mond im Halbschatten

aufgenommen in Dreieich-Götzenhain mit einer Jenoptik JD5.0z3 Digitalkamera durch einen SkyWatcher Refraktor (D=70mm, f=700mm) mit 30mm Okular.

Mondfinsternis und Teleskope

02:11 MEZ - Mondfinsternis und Teleskope

Mond über den Beobachtungs-Teleskopen in Dreieich-Götzenhain während der ersten Halbschattenphase am 21.02.2008 um 02:11 MEZ. Hinten Links der Scopos 66/400 mit Philips SPC1300NC WebCam bei der Live-Übertragung.

Der Nebel wird dicker, aber noch kann ich mit Belichtungsautomatik und Verstärkung kompensieren. Harald hat keinen Blick zum Mond, er muss wegen der steigenden Serverlast eine Portal-Funktion nach der anderen ausschalten, damit wir die WebCastings noch halten können. Inzwischen ist der Nebel zu dick und die erste partielle Phase ist nur selten und kurz durch Lücken sichtbar, zu kurz um Fotos machen zu können. Der WebCasting Bildschirm bleibt nun fast durchweg schwarz. Uwe ruft an, er hat hin und wieder einen Blick auf die partielle Phase in Kelsterbach. Und da lässt der Mond sich auch wieder bei mir blicken, aber ich habe keine Chance ihn vor die Kamera zu bekommen, denn die Momente sind zu kurz und ich habe das Telefon am Ohr.

Am Ende der ersten partiellen Phase zeigt sich die schmale Sichel wieder länger, doch jetzt kommt der Server trotz diverser Abspeckungen nicht mehr gegen den Ansturm an Anfragen an. Ich kann die Sichel noch gerade im Bild halten, doch weiß ich nicht mehr ob diese noch von Zuschauern gesehen werden kann. Die Totalität beginnt um 4:00, der Mond verschwindet im Schatten der Erde und unser Server hat sich auch verabschiedet. Ich mache einige Fotos mit meiner Jenoptik JD5.0z3 Digitalkamera, u.a. 2 Aufnahmen der beginnenden Totalität durch mein Celestron C5. Das Licht des Ortes streut sich stark im Nebel. Der rotbraune Mond wird hin und wieder durch unsichtbare Wolken abgeschwächt. Aber zeitweise ist er gut zu sehen und neben ihm der Stern Regulus und der Planet Saturn. Eine schöne Dreiecks-Konstellation im Nebel über dem beleuchteten nächtlichen Götzenhain.

Mond beim vollständigen Eintritt in den Kernschatten

04:00 Der Mond beim vollständigen Eintritt in den Kernschatten

aufgenommen am 21.02.2008 um 04:00 MEZ in Dreieich-Götzenhain mit einer Jenoptik JD5.0z3 Digitalkamera durch ein Celestron C5 Teleskop mit 30mm Okular.

Totale Mondfinsternis

Die totale Mondfinsternis am 21.02.2008 um 04:15 MEZ über Dreieich-Götzenhain

aufgenommen mit einer Jenoptik JD5.0z3 Digitalkamera. Nebel streut das Licht der Straßenbeleuchtung sehr stark und lässt den Himmel um den rotbraunen Mond grünlich gelb erscheinen.

Es ist alles klitschnass, ganz still, und hin und wieder ziehen unsichtbare Wolken vor den Mond und lassen ihn mehr oder weniger gut sichtbar sein. Auf dem PC-Bildschirm ist der rote Mond nur als graues Scheibchen in der linken unteren Ecke des Bildschirmes zu sehen. Die Kamera kommt an die Grenze ihrer Lichtstärke, der Nebel tut ein Übriges. Ich justiere nicht nach, der Server ist tot, es tut sich nichts. Und dann gehe ich wieder raus und sehe nach dem Mond. Auch der ist jetzt weg. Keine Fotos mehr, kein WebCasting mehr, kein Mond mehr. Alles nass, kalt und still. Harald hat nur kurz den Mond gesehen, Dirk hat Glück und gute Sicht in Hombressen bei Kassel. Für mich bleibt der Mond zum Ende der Totalität und lange während der zweiten partiellen Phase verschwunden. Harald verabschiedet sich auf skype, kein Mond mehr bei ihm.

Es bleibt still und mondlos, ich muss wohl am PC noch arbeiten, vielleicht bereite ich die Bilder, die ich während der Totalität mit meiner Digitalkamera gemachte habe, bereits für die Internetpräsentation auf, da erreicht mich noch Haralds traurige Nachricht. Er hatte gerade erfahren, dass sein schwer kranker Vater im Krankenhaus gestorben ist. Da musste er sich wieder auf den Weg machen, diese Nacht war nicht zum schlafen da. Ich bleibe auf, und die zweite Hälfte der zweiten partiellen Phase bringt mir noch einmal den Mond vor meine Kamera, ich montiere den SkyWatcher 80/400 auf die Nachführung und mache einige Bilder durch das 30mm Okular. Der noch verfinsterte Mond steckt in dicken grüngelben Nebelschwaden. Er lässt sich hin und wieder bis ca. 6 Uhr dort blicken bis er schließlich endgültig verschwindet. Der Server geht wieder, die WebCams sind offline, ich stelle meine Bilder ins Portal.

Zweite partielle Phase

05:55 MEZ - Zweite partielle Phase im Nebel

Zweite partielle Phase der totalen Mondfinsternis aufgenommen am 21.02.2008 um 05:55 MEZ in Dreieich-Götzenhain mit einer Jenoptik JD5.0z3 Digitalkamera durch einen SkyWatcher 80/400 Refraktor mit 30mm Okular.

Das Tageslicht kommt, ein grauer Tag folgt der Nacht der schwarzen Bilder. Und mit dem Tageslicht kommen meine Schmerzen. Bisher war ich top fit, jetzt tut mir alles weh und ein trockener Husten überkommt mich immer wieder. Ich merke meine Kräfte sind erschöpft, höchste Zeit um endlich gegen 7:30 in Richtung Bett zu gehen.

Die folgenden Tage kämpfe ich mit einer hartnäckigen Virusinfektion, die hatte mich fest gepackt. Die Nacht der schwarzen Bilder hat ihre Spuren hinterlassen.

Erst am Freitag (29.02.) telefoniere ich wieder mit Harald. Das Leben geht weiter, und wir denken über unsere Möglichkeiten zur Sonnenfinsternis am 01. August 2008 nach.

Stephan Heinsius, Dreieich, 29. Februar 2008, Überarbeitung am 02. März 2008.

Letzte Aktualisierung dieser Seite: 02. März 2008.
 

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