Luna eclipsiata Limburgiensis
Die totale Mondfinsternis am 04. Mai 2004 in Gückingen bei Limburg
Erlebnisbericht
Nach den beiden erfolgreichen Beobachtungen von totalen Mondfinsternissen am 16. Mai und am 09. November 2003 bot sich am 04. Mai 2004 erneut eine Chance den roten Mond über einer heimischen Landschaft beobachten und fotografieren zu können. Ähnlich wie am 16. Mai 2003 reizte die Vorstellung einer Aufnahme des partiell verfinsterten Mondes über einer Frühlingslandschaft. Meine Recherchen im Vorfeld der Mondfinsternis ergaben, dass es im Norden von Dreieichenhain ein paar Möglichkeiten geben sollte, die Mondfinsternis zusammen mit blühenden Apfel- oder Kastanienbäumen auf einem Bild aufzunehmen.
Schon am Tag zuvor war der Wetterbericht aber derart schlecht, dass ich hierfür die Chancen vielleicht nur noch bei 10% sah. Am Morgen des Finsternistages zeigte sich jedoch wieder die Sonne von einem strahlend blauen Himmel, am Horizont aber schon noch unscheinbare Wolkenschichten über Taunus und Odenwald. Letztere würde, sofern sie sich nicht änderte gerade die wichtigen horizontnahen Bereiche bei den Azimuten 115-125 abdecken, bei denen sich am Abend der Eclipseaufgang abspielen sollte.
Am frühen Abend stellte sich eine dramatisch verschlechterte Situation dar. Im Laufe des Tages war von Süden ein Wolkenband aufgezogen, dass sich in NNO-SSW-Richtung erstreckend sich langsam auch in Richtung Westen ausbreitete und gegen 17:30 Uhr bis etwa Wiesbaden reichte. Weiter westlich nahm zwar die Quellbewölkung zu, aber die Sonne schien weiter zu dominieren. Gegen 19:00 Uhr erstreckte sich am West- und Nordwesthorizont von Dreieichenhain ein etwa 4 Grad hoher heller Bereich, während alle anderen Bereiche des Himmels eine geschlossene Wolkendecke zeigten, die oberhalb der hellen Zone zwischen Flughafen und Wiesbaden besonders dunkel war. Im Zenit war die Wolkendecke relativ dünn. Aufgrund der Tatsache, dass es sich um ein geschlossenes weit ausgedehntes Wolkenband handelte und keine Tendenz zur Auflösung zu erkennen war, nahm ich an, dass sich das Wolkenband bis zum Mondaufgang gegen 20:40 Uhr nicht auflösen würde.
Wolkensituation in Dreieich am 04. Mai 2004 19:28 MESZ in Dreieich-Dreieichenhain. Bis ca. 4 Grad über dem Westhorizont gibt es Wolkenlücken. Vom Boden reflektiertes Sonnenlicht ist schwach in den Wolken zu erkennen. |
Die Sonnenstrahlen schienen durch einige Wolkenlöcher am Rand des Wolkenbandes und gaben einen schönen Strahlenvorhang ab. Was ich noch nie in dieser Form gesehen habe waren aber Reflektionen des Sonnenlichtes von der Erdoberfläche, die die weiter höher liegenden Wolken von unten anstrahlten. Waren es die Waldseen zwischen Langen und Mörfelden, die das Sonnenlicht an die Wolkendecke projizierten? Das Auto zum Teil schon gepackt, sah ich mir noch dieses Lichtschauspiel an. Die Entscheidung hieß aber nun: Ausweichen in Richtung Nordwesten, A3 Richtung Limburg!
Die fatale Wettersituation im Rhein-Main-Gebiet trieb mich auf der Autobahn in Richtung Nordwesten. Wie bereits zur Sonnenfinsternis am 31. Mai 2003 und zur Mondfinsternis am 09. November 2003 begleitete mich Uwe Müller bei dieser heimatlichen Eclipse-Beobachtung.
Laut Entwicklung der Wolkensituation, wie sie auf den Satellitenbildern im Internet zu erkennen war, verlief der einzig zu erkennende wolkenfreie Streifen über Deutschland zwischen zwei Tiefausläufern etwa 100 km breit westlich und nordwestlich des Rhein-Main-Gebiets. Dies war wohl die letzte Chance für eine Beobachtung der Mondfinsternis. Auf der Autobahn Richtung Wiesbaden, in der Nähe des Flughafens kam die Sonne heraus. Die Stimmung stieg. Im Taunus war aber schon das westlich gelegene Wolkenband zu erkennen, dass sich von den Niederlanden her näherte. Die Sonne senkte sich in ein vom Horizont inzwischen einige Grad hochreichendes massives Cirrengebiet. Über Limburg war der Himmel klar, im Südosten noch die Wolken über dem Rhein-Main-Gebiet. Ich hatte als Beobachtungsort erst an ein Gebiet südlich von Limburg gedacht. Doch die Wolken erreichten noch eine zu große Horizonthöhe, so dass wir bei Limburg-Nord die Autobahn verließen und einen Platz an den Südosthängen des Westerwaldes mit Blick nach Südosten mit Taunus und der Stadt Limburg suchten. Ohne zu suchen fanden wir diesen kurz vor Gückingen auf einem nach Süden führenden Feldweg.
Der Blick reichte bis zum 35 bis 40 km entfernten Feldberg im Taunus. Die Wolken bedeckten ein Gebiet bis 5 Grad über dem Horizont, als wir gegen 20:30 Uhr dort eintrafen. Die Beobachtungsinstrumente, bestehend aus einem Celestron C5 (f=1250mm, D=125mm), einem Skywatcher Refraktor (f=700mm, D=70mm), einem Revue-Refraktor (f=910mm, D=60mm), einem 8x30-Feldstecher, einer Canon EOS500N Spiegelreflexkamera und einer Sony DCR-VX700 Mini-DV Videokamera, waren noch nicht komplett aufgebaut, als der Mond für uns unsichtbar hinter dem Horizont von Wolken verdeckt aufging.
Beobachtungsinstrumente in Gückingen bei Limburg |
Der Dom von Limburg und die Autobahnbrücke über die Lahn |
Wir warteten. Eine zweite Wolkenschicht schob sich über die erste, sodass die Wolken jetzt etwa 12 Grad hoch reichten. Es schien noch eine Weile zu dauern bis man den Mond sehen würde. Doch plötzlich und unerwartet schiebt er sich orange leuchtend in ein nicht sichtbares Wolkenloch. Der verfinsterte Mond steht etwa während der Mitte der ersten partiellen Phase gegen 21:20 Uhr über der Landschaft von Limburg und dem Taunus mit seiner höchsten Erhebung, dem 880 Meter hohen Feldberg.
Der partiell verfinsterte Mond über Limburg und dem Feldberg im Taunus am 04. Mai 2004 21:21 MESZ, aufgenommen in Gückingen bei Limburg mit einer Canon EOS500N und Canon 75-300mm-Telezoom bei 135mm und f4,5, 1/3 Sekunde belichtet auf Fuji200 Negativfilm. |
Ich machte mehrere Aufnahmen mit dem Teleobjektiv. Der Mond wanderte höher. Nun dachte ich an eine 910mm-Aufnahme durch den Revue-Refraktor. Da begann der Mond sich schon wieder zu verabschieden. Nicht nur der Erdschatten, sondern nun auch plötzlich wieder Wolken fraßen an ihm. Und schon war er wieder verschwunden.
Wolkensituation um 21:33 MESZ am 04. Mai 2004 21:33 MESZ, aufgenommen in Gückingen bei Limburg mit einer Canon EOS500N und Canon 24-85mm-Weitwinkelzoom bei 24mm und f8, 15 Sekunden belichtet auf Fuji200 Negativfilm. |
Es wurde weiter dunkler. Das Blau des Dämmerungshimmels verschwand und das Licht des Mondes, das eben nicht in Form der Beleuchtung von Wolken zu sehen war, obwohl Vollmond war. Die Mondfinsternis ging um 21:52 MESZ in die totale Phase und der Himmel war bis über den Zenit hinweg stark bewölkt. Schlagartig hatte sich die Situation dramatisch verschlechtert. Nur noch im Norden und Nordwesten einige Sterne und Planeten durch Wolkenlücken erkennbar. Im Nordwesten standen Venus, Mars und Saturn am noch von der Dämmerung beleuchteten Himmel, jedoch durch Cirren und einige kleine tiefere Wolken geschwächt. Hin und wieder zeigte sich auch Jupiter durch Wolkenlücken.
Einige neue Wolkenlöcher ziehen in das Gebiet, wo der Mond stehen müsste. Doch es ist kein Mond zu sehen. Es dauert noch einige Zeit bis zur Mitte der Totalität. Grell strahlen Scheinwerfer unterhalb dieses Gebietes, die offensichtlich zu einem dort angesiedelten Gefängnis gehören. Es zieht sich alles wieder zu und beginnt zu regnen. Erinnerungen an den 11. August 1999 werden wach, denn nun müssen die Teleskope mit Plastikplanen gegen den Regen geschützt werden. Doch der Regen bleibt gering und ist nur von kurzer Dauer.
22:30 MESZ - Maximum der Finsternis. Der total verfinsterte Mond wird durch ein winziges Wolkenloch freigegeben, doch kaum vollständig. Es reicht gerade eben die Zeit, um die Videokamera auszurichten und den Mond per Video noch zu erwischen. Da ist er schon wieder weg. Gefangen! Der Mond steht direkt über dem Gefängnis hinter den Wolken.
Doch wieder völlig unerwartet kommt die Befreiung. Gegen 23 Uhr reißen die Wolken auf. Von Südwesten her gibt es Sternenhimmel! Jupiter strahlt im Sternbild Löwe prächtiger als vom lichtdurchfluteten Rhein-Main-Gebiet gewohnt. Der Mond scheint total. Total verfinstert hat er sich aus den Wolken herausgearbeitet. Die dunkle sandbraune bis braunrote Scheibe steht majestätisch am Himmel im Sternbild der Waage und hat das Gefängnis links unter sich liegen lassen. Luna eclipsiata Limburgiensis in librae iusticiae. So hätten es vielleicht die Römer gesagt, doch der Limes verläuft einige Kilometer südwestlich von hier, und das Gefängnis gab es damals hier auch noch nicht...
Totale Mondfinsternis und Alpha Librae am 04. Mai 2004 23:05 MESZ, aufgenommen in Gückingen bei Limburg mit einer Canon EOS500N und Canon 75-300mm-Telezoom bei 300mm und f5,6, 30 Sekunden belichtet auf Fuji400 Negativfilm, nachgeführt mit Celestron C5 Montierung. |
23:11 MESZ - Kurz nach Ende der Totalität am 04. Mai 2004 23:11 MESZ, aufgenommen in Gückingen bei Limburg mit einer Canon EOS500N fokal durch ein Celestron C5-Teleskop (f=1250mm, D=125mm), 15 Sekunden belichtet auf Fuji400 Negativfilm. |
23:40 MESZ - Zweite partielle Phase am 04. Mai 2004 23:40 MESZ, aufgenommen in Gückingen bei Limburg mit einer Canon EOS500N fokal durch ein Revue-Refraktor (f=910mm, D=60mm) mit Canon 2xTeleConverter, 1/8 Sekunde belichtet auf Fuji400 Negativfilm. Die Fokussierung wurde durch die Positionierung des Stativs vorgenommen, auf dem die Kamera separat montiert war. Eine Pappröhre schützte vor störendem Lichteinfall. |
Einige Teleaufnahmen des Mondes mit dem südlichen der beiden hellsten Waage-Sterne, der etwa 2 Monddurchmesser nördlich des Mondes steht, und dann durch das nachgeführte C5 bei 1250mm fokal. Doch es ist schon 23:08 MESZ. Ende der Totalität. Wieder steht ein Eclipse-Eye am Himmel. Es blickt fast senkrecht zum Horizont herunter. Wie ein Edelstein dieser Mofi-Diamantring. Nach und nach wird der beleuchtete Teil des Mondes größer. Die Finsternis ist jetzt ungestört beobachtbar. Die Sterne erblassen wieder, durch das aufkommende Mondlicht, das zunehmend alles erhellt. Ein paar kleine Wolkengrüppchen zieren die partielle Mondfinsternis. Sie ziehen zunächst kaum merklich oberhalb des Monds vorbei. Nach und nach kommen größere Wolken, aufgelockert, aber doch schon so, dass sie den Mond hin und wieder ganz verdecken.
23:42 MESZ - Partielle Mondfinsternis in Wolken am 04. Mai 2004 23:42 MESZ, aufgenommen in Gückingen bei Limburg mit einer Canon EOS500N und Canon 75-300mm-Telezoom bei 200mm und f4,5, 2 Sekunden belichtet auf Fuji400 Negativfilm. |
00:14 MESZ - Übergang zur Halbschattenfinsternis am 05. Mai 2004 00:14 MESZ, aufgenommen in Gückingen bei Limburg mit einer Canon EOS500N und Canon 75-300mm-Telezoom und Canon 2xTele-Konverter bei 600mm und f5,6 (f11), 1 Sekunde belichtet auf Fuji400 Negativfilm. |
Zum Ende der zweiten partiellen Phase kurz nach Mitternacht versprach der sich entfinsternde Mond zwischen Wolkenschwaden dramatische Aufnahmen. Im Sucher der Videokamera ist die nun begonnen habende Halbschattenfinsternis noch deutlich zu erkennen. Mehr und mehr ziehen Wolken vor den Mond, schlucken ihn immer öfter. Währenddessen packen wir die Beobachtungsausrüstung wieder ein und verlassen diesen Platz, an dem wir eine ausgewogene Mondfinsternis zum Teil gesehen und zum Teil doch nicht gesehen haben. Auf jeden Fall war diese kleine Eclipse-Reise ein großer Erfolg. Je näher wir wieder nach Hause kamen, desto mehr verdichtete sich die Bewölkung wieder, in Dreieich vom Mond keine Spur, nur ein Hauch von Mondlicht, das die ohnehin helle Rhein-Main-Nacht weiter erhellte.
Stephan Heinsius, 05. Mai 2004, Ergänzung um Bilder zwischen 09. und 20. Mai 2004.
Gestaltung und Inhalt: Stephan Heinsius, D-63303 Dreieich, ©SH 2004 - all rights reserved