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Venusfinsternis 2020

Erlebnisbericht vom 19. Juni 2020 aus Dreieich-Götzenhain

Anstatt zu dieser Zeit wie einmal geplant in einem Flugzeug Richtung Oman zu sitzen, um am 21. Juni 2020 die ringförmige Sonnenfinsternis am Nordrand des Ringförmigkeitsgebietes in Sifah, südöstlich von Muscat, zu beobachten, konnte nun, bedingt durch die andauernden Reiseeinschränkungen eine andere Eclipse nicht durch ein einengendes Flugzeugfenster, sondern direkt von der Beobachtungsterrasse in Dreieich-Götzenhain aus beobachtet werden.

Bereits 2004 und 2007 fanden im Juni solche Ereignisse statt, deren Beobachtunsversuche nicht oder nur unter schweren Bedingungen zum Erfolg führten. Durch technische Weiterentwicklungen in Form eines schwenkbaren Kameradispays mit Live-View und weitere Übung, wie zum Beispiel durch die Beobachtung der sich zu einem Ring schließenden Venussichel bis zum 01.06.2020 war diese Beobachtung recht einfach, die Bedingungen jedoch am Rande der Beobachtbarkeit. Denn wieder einmal waren es die Wolken in Sonnennhähe die das Himmelsereignis begleiteten.

Bereits vor Sonnenaufgang zeigte sich die Mondsichel zwei Tage vor Neumond und die ebenso schmale, kleinere aber deutlich heller strahlende Venussichel am Nordosthorizont, noch gute 3 Grad voneiander entfernt. Die Wolkensituation war recht gut, ein paar harmlose Cirren und viele Flächen klaren Himmels, jedoch verdichtete Cirren und einige Wolkenbänke im Süden und Südwesten. Die WetterOnline Wetter-App zeigte jedoch kaum Bewegung für diese Wolken an, so war ich recht zuversichtlich die bevorstehende Venusfinsternis von zu Hause aus gut beobachten zu können.

Mond und Venus in der Morgendämmerung um 04:50 MESZ

Stellarium sagte für meinen Standort für den Eintritt der Venus hinter dem Mond ca. 9:50 MESZ und für ihren Austritt ca. 10:45 MESZ voraus. Kurz vor 8 Uhr baute ich mein Scopos ED APO 66/400 und mein Celestron C5 (125/1250) auf und machte die ersten Fotos. In den letzten 3 Stunden war der Mond deutlich an die Venus herangerückt. Zu finden war die Venus schnell über Einstellung der Sonne mit Filter und dann über den Stundenkreis am C5 wie bereits Ende Mai / Anfang Juni zur Beobachtung der sich zu einem Ring schließenden Venussichel praktiziert. Aber auch im Sucher bzw. auf dem Display der Canon EOS M50 hinter dem Scopos ging es recht gut, trotz fehlender Nachführung: Das Gesichtsfeld ist relativ weit und die Venus gut hell. Mit dem Mond alleine wäre das kaum oder nur extrem schwierig möglich gewesen.

Mond und Venus am 19.06.2020 08:16 MESZ

Mond und Venus am 19.06.2020 08:17 MESZ

Beobachtungssituation 08:21 MESZ

Dann ist die Venus an einem schönen blauem Himmel wunderbar zu sehen, aber auch der schwächere größere Mond rechts von ihr. Die Sonne ist hinter einer großen Cirre, Mond und Venus in einem wolkenfreien Feld. Das ist so gegen 8:20 MESZ. Die Wolken bewegen sich langsam von unten (Südosten) heran, aber mit schnellen lokalen Änderungen, d.h. Verdichtungen und Auflösungen. Über WhatsApp bin ich mit Alexander Birkner verbunden, der im Saarland schlechtere Beobachtungsbedingungen hat - ja, im Südwesten und Süden hängt alles voll Cirren, so wie bereits am frühen Morgen. Mal sehen wie lange es hier gut geht.

Mond und Venus am 19.06.2020 08:29 MESZ

Beobachtungssituation 09:38 MESZ

Die Situation wird schwieriger. Im Scopos ist es schwer die Venus zu verfolgen. Als dann, vermutlich  durch die inzwischen gut wärmende Sonne sich der Fokus verstellt hat wird es kritisch. Ich fokussiere am einige Kilometer entfernten Wetterturm neu und gehe wieder in den Himmel 22 Grad rechts der Sonne. Immer wieder finde ich die Venus nicht mehr für die Neueinstellung, denn es sind zu viele Cirren unterwegs. Doch dann gelingt es, auch mehrfach. Zeitweise sind wieder recht gute Bedingungen. Das C5 führt weiter nach und die helle Venussichel ist in brillant schönem weiß durch mehr oder weniger Cirren hindurch gut im 24mm-Okular zu sehen. Der Funkwecker steht am Celestron C5 und zeigt mir an, dass es nun in die finale Stunde geht. Die Cirren bleiben nun da, doch die Venus behauptet sich gut im nachgeführtem C5. Ich wechsle die Canon EOSM50 vom Scopos auf das C5, mit der Absicht den Eintritt dort per 4K-Video aufzunehmen. Es ist noch einmal ein kleines Risiko die Venus bei der Neufokussierung zu verlieren, die mit Montage der Kamera einhergeht, doch die Nachführung ist genau genug, und es funktioniert gut. Vom Mond jedoch keine Spur. Er müsste bereits im Bildfeld sein, doch Cirren und Sonnenlicht tauchen es ein in eine graubraune helle Milch.

Beobachtungssituation 09:49 MESZ

Venus hinter Cirren fokal im Celestron C5 (125/1250) um 09:49 MESZ, Ausschnitt

09:45 MESZ, der Eintritt rückt näher. Auf dem Display ist die unscheinbare Venussichel noch zu erkennen, weiter keine Spur vom Mond. Unter einer dunklen Jacke versteckt kann ich das Display noch gerade erkennen, und dass die Venus kleiner geworden ist: Die Bedeckung ist im Gange! Nach ein paar Minuten stoppe ich das Video, die Venussichel ist nicht mehr da. Somit ist jetzt erst einmal Frühstücks-Pause angesagt.

Venusbedeckung 2020: Videosequenzen in 8-fach Zeitraffer (einschl. Eintritt: Celeston C5 fokal (HD) 09:51-9:54 MESZ) bei Vimeo: https://vimeo.com/430999675

Beobachtungssituation 09:59 MESZ

Gegen 10:30 Uhr gehe ich wieder hoch an meine Beobachtung. Die Cirrensituation hat sich verschlechtert, sie sind noch dicker als vorher. Sogar ein schwacher Halo ist um die Sonne herum erkennbar - Erinnerungen an den Merkurtransit 2016 werden wach, doch die Stärke von 2016 erreicht er bei weitem nicht. Aber blendet er gerade bei 22 Grad besonders stark? Ich sehe ab ca. 10:45 Uhr mehrfach auf das Kameradisplay am C5 und sehe außer hin und wieder ein paar Wolkenbewegungen nichts. War die Nachführung genau genug, um die Venus im Bild zu halten, dann müsste sie ja jeden Moment erscheinen. Ich starte ohne etwas von der Venus zu sehen ein weiteres 4K Video, und als sie dann eigentlich ausgetreten sein müsste, und ich sie immer noch nicht auf dem Display sehe, mache ich noch ein paar Fotos: Es könnte ja sein, dass sie am großen Bildschirm später noch als Hauch irgendwo erkennbar ist.

Venus kurz nach dem Austritt (Ausschnitt), 10:49 MESZ

Und tatsächlich: Auf den Fotos ist sie sehr gut am oberen Bildrand zu sehen. Wegen des höheren Cropfaktors bei Aufnahme von 4K Videos ist sie auf den Fotos, aber nicht auf dem Video zu sehen, der Austritt muss sich knapp oberhalb des Bildrands abgespielt haben - schade. Aber das Video vom Eintritt zeigt wie die Venussichel am milchigen Himmel langsam verschwindet, vom Mond ist außer seiner verdeckenden Eigenschaft aber nichts zu sehen: Ein Interessantes Beobachtungsergebnis: Mond bedeckt Venus, Wolken bedecken Mond, aber nicht Venus, d.h. Venus ist trotzdem solange zu sehen bis der Mond sie bedeckt - Ihre Flächenleuchtkraft ist stark genug gewesen, um sich durch das an den irdischen Cirren gestreute Sonnenlicht durchzusetzen, die des Mondes jedoch nicht.

Die Konstellation war nach dem Autritt nicht mehr zu beobachten. Es zog immer weiter zu, bis schließlich ein paar Regentropfen fielen, die mich veranslassten die Beobachtungsinstrumente nach drinnen zu holen.

Stephan Heinsius 19. Juni 2020

 

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