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Dunkle Dusche im Mondregen

Die totale Sonnenfinsternis am 11. August 1999 in Weil der Stadt

Erlebnisbericht

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Fasziniert vom Erlebnis der totalen Sonnenfinsternis 1998 in der Karibik wählte ich den Geburtsort des Astronomen Johannes Kepler, um den Blick in die total verfinsterte Sonne am 11. August 1999 noch einmal zu genießen und zu vertiefen. Beim Blick in die schwarze Sonne am 26. Februar 1998 in Guadeloupe blieb das Gefühl, darin noch nicht alles genau genug betrachtet haben zu können.

Weil der Stadt war mir schon seit 1987 bekannt. Seitdem besuchte ich immer Mal wieder meine Freunde dort. Besonders oft war ich während meines Studiums an der Universität in Karlsruhe bei ihnen. Immer wieder ist mir aufgefallen, daß in Weil der Stadt der Himmel am ehesten aufreißt, wenn es rundum noch bewölkt oder regnerisch ist.

Bereits am Samstag, den 7. August bin ich abends von Dreieich nach Weil der Stadt gefahren. Die Autobahnen waren frei, das Wetter sehr gut, ein schöner warmer klarer Sommerabend. In später Dämmerung gegen 22 Uhr war ich angekommen.

Die nächsten drei Tage übte ich im Garten meiner Freunde den Aufbau der astronomischen Instrumente (Celestron C5 Schmidt-Cassegrain 1250mm f10, Revue Refraktor 910mm f15, Canon EOS500N Spiegelreflex-Kamera mit 24-85mm Weitwinkelzoom, Olympus OM1 Spiegelreflex-Kamera mit 80-200mm Telezoom, Sony Videocamera DCR-VX700E mit Tele-Vorsatzline) und den Ablauf des Aufnahme- und Beobachtungsprogrammes für die 2 Minuten und 17 Sekunden der Totalität. Das Programm hatte ich schon vor Monaten aufgrund der Erfahrungen von der Sonnenfinsternis vom 26. Februar 1998 in der Karibik und der vorhandenen Beobachtungsinstrumente gemacht. Aus den Erfahrungen des konkreten Durchspielens des Ablaufs änderte ich das Programm zweimal, so zum Beispiel um das alte Revue Teleskop mit 910mm Brennweite, daß ich zur Konfirmation 1978 geschenkt bekommen hatte, zum Fotografieren einzusetzen.

Am 8., am 9. und am 10. August gab es einen klaren Blick auf die Sonne zwischen 12:32 und 12:34, der Zeit der Totalität am 11. August. Abends, nachts und auch bis in den späten Vormittag hinein war es an diesen Tagen dagegen oft bedeckt und regnete auch.

Mittels Laptop und Internet rief ich mir täglich die Satellitenbilder des Deutschen Wetterdienstes ab. Es war an jedem Tag ziemlich unsicher, ob Sonne oder Wolken während der Totalitätszeit zu sehen wären. Am Sonntag (8. August) waren die Chancen, einen freien Blick am Mittwoch (11. August) zu haben noch gering. Am Dienstag stiegen sie jedoch an, so daß ich am Dienstag abend und auch am Mittwoch morgen sehr zuversichtlich war, einen freien Blick auf die total verfinsterte Sonne zu haben.

Der Regen am Mittwoch Morgen erregte also zunächst keinerlei Nervosität, in der Zuversicht, daß die Wolken sich nun ausregnen würden, und daß das auf den Satellitenbildern von Westen herannahende wolkenfreie Gebiet zur Mittagszeit angekommen sein würde.

Am Mittwoch, den 11. August, dem Tag der Sonnenfinsternis, den ich bereits seit etwa 20 Jahren erwartet hatte, bin ich bereits gegen 5:15 aufgewacht. Nach dem Frühstück packte ich mein Auto mit den Beobachtungsinstrumenten und sonstigen für die Sonnenfinsternisbeobachtung vorgesehenen Gegenständen (Kameras, Adapter, Filterfolien, etc.).

Auf dem Balkon meiner Freunde baute ich meine alte Saba-Videokamera mit Rekorder (Jahrgang 1985) auf, damit diese eine Daueraufnahme des Hügels, von dem ich die Sonnenfinsternis beobachten wollte, und vom Himmel darüber machen konnte.

Ich hatte soviel wie möglich Bekannte, Freunde und Verwandte eingeladen, bei der Beobachtung in Weil der Stadt dabei zu sein. Nach dem beeindruckenden Erlebnis der Sonnenfinsternis 1998 in Guadeloupe in der Karibik wollte ich nun die Gelegenheit der Sonnenfinsternis in Deutschland nutzen, um möglichst vielen Menschen die Möglichkeit zu geben, dieses wunderschöne Naturschauspiel selbst zu erleben. Bereits im August 1998 suchte ich mir als Beobachtungsort eine Wiese auf einem Hügel westlich von Weil der Stadt aus. Ich hatte Zusagen von etwas über 40 Leuten.

Schild am Ortseingang von Weil der Stadt

Schild am Ortseingang von Weil der Stadt

Ab etwa 9:30 war ich mit meinem vollbepackten Auto über einen größtenteils asphaltierten Feldweg bis zu der Wiese hochgefahren, und saß nun im Auto und wartete darauf, daß der Regen aufhörte und die ersten meiner Gäste eintrafen. Der Verkehrsfunk sagte aus allen Richtungen jede Menge Staus an. Als der Regen dann dauerhaft aufzuhören versprach, begann ich meine Sachen aus dem Auto auszupacken. Kurz zuvor waren die ersten Gäste gekommen. Die Gruppe aus Mannheim ist recht gut durchgekommen, und war etwa viertel vor zehn angekommen. Der Himmel klarte auf und es bildeten sich zwei Wolkenlöcher. Allerdings blieb die Luft recht feucht, so daß während des Aufbaus der Instrumente diese auch schon wieder abgedeckt werden mußten, um sie vor Regentropfen zu schützen. Nach und  nach kamen mehr Gäste. Etwa gegen halb elf kam die Gruppe aus Dreieich, die schon um halb sieben losgefahren war.

Die Feuchtigkeit begann nun meine ursprünglichen Pläne durcheinander zu bringen. Bis kurz nach dem ersten Kontakt, der für 11:12:54 vorausgesagt war, regnete es. Die Sonne blieb hinter Wolken.

Ich gab nun einige Hinweise zur Beobachtung und zur Entstehung von Sonnenfinsternissen, die ich ursprünglich für vor dem ersten Kontakt eingeplant hatte. Diese Rede wurde von meinen Gästen mit großem Applaus angenommen.

Dann kam die Sonne in den Bereich eines der Wolkenlöcher. Da schon etwa eine halbe Stunde seit dem ersten Kontakt vergangen war, war die Sonne bereits eine deutliche Sichel. In den nächsten 15-20 Minuten war die partiell verfinsterte Sonne zu beobachten, auch wenn sie hin und wieder hinter Wolken verschwand.

Wegen der Abdeckungen der Beobachtungsinstrumente und der feuchtigkeitsbedingten Änderungen in den Aufstellungen der Kameras fand ich nun nicht sofort alle Teile, die ich brauchte, und konnte auch nicht durch das 910mm-Teleskop fotografieren, da ich das dafür eingeplante Stativ noch für die Sony-Videokamera eingesetzt hatte, die noch wegen der zuvor gemachten Zeitrafferaufnahme darauf moniert war. Die Planen waren naß. Ich mußte darauf achten, daß die Geräte weder von unten durch die angesammelten Wasserpfützen noch von oben oder von der Seite zu viel Wasser abbekamen.

Zwischendurch rief die zweite Gruppe aus Dreieich auf meinem Handy an. Sie waren erst gegen 8 Uhr in Dreieich weggefahren, und standen schon hinter Darmstadt im Stau. Sie kamen bis Heidelberg und beobachteten in dieser Gegend die partielle Finsternis.

Ich montierte nun die Videokamera auf die für die Totalität vorgesehene Position an das Celestron-C5-Teleskop und montierte auf ihr Telekonverter und Filterfolie. Mit der Montierung am C5-Teleskop wurde auch die Videokamera automatisch der Sonne nachgeführt. Hiermit konnte ich nun die Sonnensichel auf Video einfangen.

Die Canon-Kamera nutzte ich, um nun nach ein paar Fotos von den Beobachtern die Sonne zu fotografieren. Die Wolken ermöglichten Bilder ohne Filter bei 600mm Brennweite. Die Wolken waren von einer solchen Beschaffenheit, daß die Sonnensichel sich als solche teilweise nur schwer abzeichnete.

Hinter dem Hügel stand nun eine tief hängende schwarze Wolkenwand, die einen erneuten kräftigen Regenschauer ankündigte, und es waren nur noch 20 Minuten bis zur Totalität!

Wolkenfront

Wolkenfront gegen 12 Uhr

Es waren nun auch andere Leute da, die nicht zu meinen Gästen gehörten. Am Rand des Feldwegs standen einige Autos. Ein Mann, der wie ein Polizist auftrat, war offensichtlich der Eigentümer der Wiese. In harsch werdendem Ton beklagte er sich über den Standort meines Autos, daß auf der Wiese am Rand zum Acker stand. Entgegen meinen ursprünglichen Absichten hatte ich es wegen des Regens nahe der Beobachtungsinstrumente gehalten und nicht zum Feldweg zurück gefahren. Ich fuhr das Auto zum Feldweg, obwohl einer meiner Gäste mir anbot das zu übernehmen. Inzwischen waren es nur noch etwa 10-15 Minuten bis zur Totalität und es war sicher geworden, daß Regen und Wolken anhielten, also war es unproblematischer als es sonst gewesen wäre, ein oder zwei Minuten zu verwenden, um das Auto wegzufahren.

Als der Regen wieder eingesetzt hatte, und es nur noch etwa 10 Minuten bis zum 2 Kontakt waren, entschloß ich mich endgültig, mein Aufnahmeprogramm zu improvisieren, da die eingeübte Prozedur nun nicht mehr durchführbar war. Die Sonne in Totalität würde nicht zu sehen sein. Ich montierte die Videokamera ab, und tauschte den Telekonverter gegen den Weitwinkelkonverter aus. Unter meiner Regenjacke hatte ich nun Videokamera und die Canon-Kamera mit 24-85 mm Weitwinkelobjektiv, um wenigstens den Himmel während der Totalität irgendwie aufnehmen zu können.

Ich blickte zu der erst gestern in Leonberg gekauften großformatigen Funkuhr. Die Sekunden waren nicht zu erkennen, es war 12:30. Ich rief versehentlich den 2. Kontakt aus, der für 12:32:30 berechnet war. Es schien mir aber doch noch zu hell dafür. Dann aber um 12:32 rief ich ihn lauter aus, denn ich hatte den Fehler erkannt, aber dieser Ausruf kam wohl auch jetzt etwa 10 Sekunden zu früh.

Es wurde schlagartig ganz dunkel, dunkler als es 1998 in Guadeloupe war. Auch die Farben waren andere. Im Nordwesten, wo sich die Wolken einige Minuten vor Totalität öffneten waren Farben zu sehen  Ich wies meine Gäste auf den ankommenden Mondschatten hin, anstatt in Richtung des verregneten Ortes zu sehen. Ein gelbliches Orange mit leichtem Grünton schimmerte hinter den grauen Regenschleiern durch. Mit Einsetzen der Totalität verstärkte sich der Regen schlagartig. Es war sehr kühl geworden. Doch Kühle und Regen hatten im Banne der Finsternis gar keine Zeit auf mich unangenehm zu wirken.

Es goß so übermäßig, daß ich mir das fließende Wasser aus dem Gesicht und den Haaren wischte. Zuvor gab meine Videokamera auf, die sich bei eingedrungener Feuchtigkeit automatisch abschaltet. Ich wußte nicht sie auf die Schnelle zu schützen. Ein Filmen während der Totalität war mir wichtiger, als die technischen Risiken zu minimieren.

Nach Ausfall der Videokamera setze ich meine Aufnahmen mit der Canon-Fotokamera fort, und verschoß fast den restlichen Film rundum mit 24mm Weitwinkelobjektiv. Die Videokamera, die ich von meinem Bruder geliehen hatte, kam gar nicht zum Einsatz und verblieb die ganze Zeit über in ihrer Tasche. Kurz vor Ende der Totalität sah ich auf die große Uhr und suchte die Sekundenanzeige: 12:34:35. Und da wurde es schon gleich wieder hell (dritter Kontakt für 12:34:48 berechnet). Der Mondschatten verzog sich so wie er kam, wie ein Aufblenden oder Abblenden eines Bildes. Ein Herannahen oder Abziehen war kaum erkennbar. Mit dem dritten Kontakt machte ich ein Bild vom Südhorizont. Leicht waren die Helligkeitsunterschiede zwischen Westen und Osten erkennbar.

Kurz nach dem 3. Kontakt

12:35 Uhr - kurz nach dem 3. Kontakt

Mit heller werden wirkte das Wetter auf einmal nicht mehr so gewaltig. Es regnete noch etwa eine ganze Stunde lang. In dieser Stunde gingen alle Gäste bis auf die Berliner, die als einzige mit mir noch den vierten Kontakt erlebten. Etwa 6 Minuten vor dem vierten Kontakt kam die Sonne hervor. Es war wieder deutlich wärmer. Sie verschwand dann gleich wieder. Die letzten drei Minuten waren durch das Celestron-Teleskop gut zu beobachten und zu fotografieren.

Sonnensichel gegen 13 Uhr

Sonnensichel hinter Wolken und Regenschleiern gegen 13 Uhr

Kurz vor dem 4. Kontakt

13:53 Uhr - kurz vor dem 4. Kontakt

Nach dem vierten Kontakt um 13:56:29 (eindeutig sehen konnte ich den Mond bis 13:56:20) lud ich mit Hilfe meiner verbliebenen Gäste die Gegenstände einzeln ins Auto. Wegen der Nässe erschien es mir nicht sinnvoll, sie wieder einzupacken. Wir verabschiedeten uns und ich fuhr langsam wieder zum Haus meiner Freunde, wo ich die Gegenstände zum Trocknen aus dem Auto holte und unter dem Balkon ausbreitete. Den restlichen Tag war ich hauptsächlich damit beschäftigt, die Dinge zu trocknen, zu säubern und zu sortieren. Die Videokamera legte ich in den warmen Heizungskeller, damit sie schneller austrocknet. Sogar der inmitten der Kamera gelegene Akku war naß geworden.

Beobachtungsinstrumente

Beobachtungsinstrumente: links Celestron C5 Teleskop 1250mm, rechts Revue Teleskop 910 mm

Meine Schwester rief an. Sie hatte in Berlin die partielle Finsternis gut sehen können, auch wenn Wolken zeitweise die Sicht verdeckten. Meine Eltern mit meiner anderen Schwester und ihren Kindern hatten in Wyk auf Föhr beobachtet. Sie hatten auf meine Mailbox gesprochen. Ich rief am späten Nachmittag zurück. Sie konnten die partielle Sonnenfinsternis gut sehen. Die tiefste Phase war von einer Wolkenfront verdeckt, aber der Rest war gut zu sehen.

Meine Mutter hatte Sonnenfinsternisbrillen organisiert und nach Wyk mitgenommen. Einen Teil der Brillen für meine Gäste hatte sie für mich mit organisiert, nachdem meine über das Internet bestellten 25 Brillen wegen der über 40 Zusagen zu wenig zu sein schienen. Da aber einige Leute schon selbst Brillen mitgebracht hatten, und einige, die zugesagt hatten nicht kamen, waren einige Brillen übrig.

Diese Brillen kann ich vielleicht für die nächste Sonnenfinsternis verwenden. Ich war vor dem heutigen Tag nicht sicher, ob ich diese ansehen sollte, doch das heute versäumte möchte ich nachholen. Das geht aber nicht auf die Schnelle. Es heißt, etwa zwei Jahre zu warten, bis zum 21. Juni 2001!

Insgesamt war die Enttäuschung über den fehlenden Blick auf die Korona und die Protuberanzen (die im Fernsehen schön zu sehen waren) schon da, auch wegen der intensiven Vorbereitungen. Unabhängig davon war es aber auf jeden Fall ein Erlebnis, im dunklen Mondregen zu stehen.

Ein Grund für meine völlig falsche Einschätzung der Wetterentwicklung könnte die Sonnenfinsternis selbst gewesen sein. Durch die wegen der geringeren Sonneneinstrahlung gesunkenen Temperaturen quetschte der Mond die feuchten Wolken aus wie ein Schwamm und verursachte damit unsere dunkle Dusche im Mondregen.

Stephan Heinsius

Weil der Stadt, 11. August 1999 (am Abend nach der Sonnenfinsternis verfaßt).

Nachtrag vom 29.08.1999:

Wie mir von den zu Hause Gebliebenen berichtet wurde, konnte man von Frankfurt gegen 12:35 die maximale Phase mit ca. 98% Verfinsterung gut beobachten. In Dreieich war die Sonne vor der maximalen Verfinsterung teilweise zu sehen. Kurz nach der maximalen Phase gegen 12:35 klarte es auf und dann war die Sonne eine ganze Weile gut zu sehen. Das fahle Licht wurde erkannt. Die Straßenlaternen gingen an.
 

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