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Mondschatten über dem Meer

Die totale Sonnenfinsternis am 26. Februar 1998 in Pointe Noire, Guadeloupe

Erlebnisbericht

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Bei der Suche nach einem schönen warmen und sonnigen Urlaubsort für den Winter 1997/1998 kam mir die Idee, den Urlaub mit dem Erlebnis einer totalen Sonnenfinsternis zu kombinieren. Irgendwie hatte ich mitbekommen, daß im Februar 1998 eine solche in der Karibik oder im Norden von Süd-Amerika stattfindet.

Einige Surfs im Internet brachten mir dann nicht nur die Information, wo die Sonnenfinsternis sichtbar sein würde, sondern sogar auch Angebote von Reisen speziell zur Beobachtung der totalen Sonnenfinsternis. Ich nahm Kontakt mit einem der Reiseveranstalter auf und buchte im November die Reise mit Komet-Reisen / GeBeCo nach Guadeloupe, Dominica und Martinique, wobei die Totalität in Guadeloupe zu erleben sein sollte.

Nach einer 16-stündigen Reise (lange Wartezeit beim Umsteigen in Paris) und ein paar Tagen der Eingewöhnung war nun der Tag der Finsternis am 26. Februar gekommen. Noch am Tag zuvor war es - entgegen den Erwartungen an das Wetter in der Karibik - bewölkt und regnerisch, doch der Himmel zeigte sich am Morgen vor der Finsternis, die für den Nachmittag angesagt war, schon sehr viel freundlicher. Leichte Bewölkung zierte den karibischen Himmel.

Die Reisegruppe von 11 Teilnehmern fuhr am Vormittag des 26. Februar mit dem Reisebus an die Nordspitze von Guadeloupe, wo die Totalität mit 3 Minuten am längsten dauern sollte. Wir hatten Tickets für ein speziell für Finsternisbeobachter reserviertes Gebiet. Dort angekommen sahen wir uns nach guten Beobachtungsorten um. Es war ein reges Treiben von Leuten zwischen dem Straßenrand und dem kargen buschigen Land, das wegen des Bewuchses für ein Aufstellen der Beobachtungsinstrumente ungeeignet schien. Ein Fernsehteam hatte ein Open-Air-Studio eingerichtet.

Wir sahen uns eine Weile um. Die Wolkenverhältnisse wurden kritisch begutachtet. Mehrheitlich beschloß die Gruppe dann, nicht hier zu bleiben, sondern an die Westküste der Insel zu fahren. Die dortigen Berge waren sichtbar und hinter ihnen ein wolkenloser Himmel. Dies wurde durch die Reiseleiterin bestätigt, die jemanden dort anrief. Die Kumuluswolken über den Bergen wurden als geringeres Risiko eingeschätzt als die höhere und leichte Bewölkung, die vom Meer her sich zu verdichten schien.

Wir fuhren nun etwa 1 3/4 Stunde zur Westküste. Reger Autoverkehr kam uns entgegen. Einige Leute waren bereits mit Eclipse-T-Shirts unterwegs. Vielerorts wurden Teleskope und Fotoapparate aufgebaut. Die Fahrt durch die Berge war sehr schön, eine wunderbare üppige Pflanzenwelt zeigte sich dort, insbesondere ganze Wälder aus Baumfarnen.

Wir fuhren an die Küste hinunter an den Strand von Pointe Noire. Dort waren fast keine Menschen. Wir waren die einzigen, die hier ihre Instrumente aufbauten. Der Aufbau war noch nicht ganz abgeschlossen, da wurde der erste Kontakt gegen 13:07 bereits von einem der Mitreisenden angesagt.

Ich hatte mir ein Plätzchen direkt am Strand ausgesucht, soweit vorne, daß ich freien Blick auf das Meer und den Horizont hatte, aber genügend weit hinten, daß kein Wasser zu mir kommen konnte.

Partielle Sonnenfinsternis über dem Strand von Pointe Noire

Partielle Sonnenfinsternis über dem Strand von Pointe Noire

Kurze Wolkenunterbrechungen beim Blick auf die partiell verfinsterte Sonne waren kein Problem. Wie bei der letzten Sonnenfinsternis zu Hause am 12. Oktober 1996 wurde das Licht fahler und stumpfer als das der unverfinsterten Sonne. Diese Wirkung wurde immer stärker. Es war wie grau verschleierte Luft, es war aber klar. Der Wind, der bisher vom Meer aus geblasen hatte, wurde schwächer. Wohl gegen 14:24 (Ortszeit) wurde die Sonnensichel von einer großen Wolke, die von Nordosten sich von den Bergen gelöst hatte, verdeckt. An den Bergen waren zwar Stücke von blauem Himmel, aber so kurz vor Totalität (nur noch 6 Minuten) wurde klar, daß der Ablaufplan, den ich mir für das Fotografieren ausgedacht hatte, nicht mehr durchführbar war.

Also mußte ich improvisieren. Ich zog bereits jetzt die Filter von Fotokamera (Canon EOS500N mit Canon 75-300mm Tele mit 2xTelekonverter) und Videokamera (Sony DCR-VX700E mit 2xTelekonverter) ab.

Da der Weg für die Sonne zum freien Himmel noch so weit war, entschied ich, die Videokamera mit Weitwinkel statt Telekonverter auszurüsten, und richtete sie, während sie schon lief von der Wolke weg auf das Meer, um den herannahenden Mondschatten aufzunehmen. Auch an der Fotokamera wechselte ich das Teleobjektiv durch ein Weitwinkelobjektiv (Canon 24-85mm) aus. Der Ausruf des zweiten Kontaktes von einem Mitreisenden erschien mir zu früh. Es war zwar schon deutlich dunkler, aber es war ja auch die dicke Wolke vor der Sonne. Diese Wolke wurde dann aber plötzlich dunkler als jede Gewitterwolke, richtig schwarz. Und plötzlich war es so dunkel, daß der freie Himmel über dem Horizont nun in allen Dämmerungsfarben leuchtete. Schwarze Wolken gaben einen prächtigen Kontrast dazu ab. Das Meerrauschen war weiterhin da, doch das Meer war schwarz, der Wind erloschen und es schien sogar ein Hauch von Feuchtigkeit von oben zu kommen.

Mondschatten über dem Meer

14:31 - Mondschatten über dem Meer

Der Mondschatten über dem Meer wurde aufgenommen mit einer Canon EOS500N und Canon 24-85mm Weitwinkelzoom bei 24mm, 1/2 Sekunde belichtet bei f3.5 auf Fuji100 Negativfilm am 26.02.1998 um 14:30:55.

Freihand machte ich zwei Weitwinkelaufnahmen, denn das auf die Sonne justierte Stativ wollte ich doch noch nicht aufgeben. Die Belichtungsautomatik wählte eine Belichtungszeit, die mir so lang erschien, daß ich befürchtete, daß die Aufnahmen verwackelt sind (doch die späteren Ergebnisse zeigten, daß eines der beiden Bilder gelungen war, siehe oben).

Plötzlich zeigte die schwarze Wolke Auflösungserscheinungen. Und nun aber schnell wieder das Teleobjektiv auf die Kamera und die Kamera auf das Stativ montiert, um die Sonne doch noch zu kriegen. Für Freihandaufnahmen war mir die Aufnahme der total verfinsterten Sonne  zu riskant. Der freie Himmel rückte immer näher. Jetzt in der Dunkelheit den Fokus wiederfinden... Wertvolle Sekunden vergingen, als ich das Stativ kippte, um am Horizont zu fokussieren.

Die Wolke schien nun auf der Inselseite verfallen zu sein und kurz vor der Auflösung, und da kam - ein freudiger Aufschrei der Umstehenden - der kleine feine Kranz der verfinsterten Sonne, noch von dünnen Wolkenteilen verdeckt, aber sichtbar: Die Korona!

Ich stellte den Bildbereich auf 150mm ein (75mm mit 2xTelekonverter) und machte eine Aufnahme mit dem Planeten, der links oberhalb der Sonne zu sehen war - das müßte Jupiter sein (später stellte sich heraus, daß es Merkur war).

Sonne und Merkur

14:32 - Sonne und Merkur

Sonnenkorona und Merkur wurden aufgenommen mit einer Canon EOS500N und Canon 75-300mm Telezoom mit 2xTelekonverter bei 150mm, 2 Sekunden belichtet auf Fuji100 Negativfilm am 26.02.1998 um 14:32:16-14:32:18. Merkur befindet sich links oberhalb der Sonne, etwa auf halber Strecke zwischen Sonne und linker oberer Bildecke.

Mit 600mm machte ich mehrere Aufnahmen mit Belichtungszeiten von mehreren Sekunden. Nun wollte ich eine manuelle kurze Belichtungszeit einstellen, doch da wurde es hell. Ein Blick auf die Sonne zeigte links unten schon eine Wurst, die in Sekunden die Korona überblendete und zum gleißenden Strahl erwachte. Das war schon zu hell um weiter zuzusehen. Die Sonne war nun völlig wolkenfrei, und ich drückte den Auslöser noch einmal, und nochmal und nochmal, ...

Dritter Kontakt

14:33 - Der dritte Kontakt

Der dritte Kontakt wurde aufgenommen mit einer Canon EOS500N und Canon 75-300mm Telezoom mit 2xTelekonverter bei 600mm auf Fuji100 Negativfilm am 26.02.1998 um 14:33:08

Sonnensichel überstrahlt die Korona

14:34 - Sonnensichel überstrahlt die Korona

Die Sonnensichel mit Korona wurde aufgenommen mit einer Canon EOS500N und Canon 75-300mm Telezoom mit 2xTelekonverter bei 600mm auf Fuji100 Negativfilm am 26.02.1998 um 14:33:59

Ein paar Minuten war die schmale Sichel noch zu sehen, bevor sie in weiteren Wolken verschwand. Jetzt war die zweite partielle Phase recht uninteressant. Es war wieder taghell und zuvor war die Zeit so knapp, und diese fantastischen Eindrücke... Und es war ja so kurz, so sehr kurz und so schön, so überwältigend faszinierend, das muß man länger sehen, um es zu erfahren!

Am Ende der partiellen Phase war die Sonne lange wolkenfrei. Ich ging nach Aufnahme der letzten Bilder noch barfuß in die Brandung, in die Brandung des Meeres, über dem der Mondschatten sein wunderbares Schauspiel vollzog, das uns alle so überwältigt hatte. Und auf der Rückfahrt im Bus dachte ich immer wieder an das Bild dieses feinen strahlenden weißen Kranzes, der aus der schwarzen Wolke kam.

Abends sahen wir uns auf einem Hotelzimmer unsere Videos an. Einem ist es gelungen die Korona zu filmen. Meine Videoaufnahme des Mondschattens über dem Meer ist auch gut geworden, nur die ganze Schönheit der Farben kam leider nicht zur Geltung, da die Belichtungsautomatik der Videokamera den Himmel überbelichtete.

Die Fotoausbeute war insgesamt gut. Zu Hause angekommen schickten wir uns die Ergebnisse später gegenseitig zu. Damit wurde die Ausbeute der Gruppe insgesamt für alle noch besser, und man dachte schon an den 11. August 1999, wenn die totale Sonnenfinsternis zu uns kommt.

Stephan Heinsius, im Februar 1998 (einzelne Ergänzungen im Oktober 1999).


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